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„Jetzt ist Zeit, etwas zurück zu geben“


Krieg und Flucht – das hat Layth Alwan selbst erlebt. Heute setzt er sich für Menschen ein, die aus der Ukraine geflohen sind.

Es ist nicht einfach, einen Gesprächstermin mit Layth Alwan zu finden – der Neutraublinger ist viel beschäftigt. Nicht nur, dass er in Vollzeit beim Autoteile-Händler Schirmbeck arbeitet – in seiner Freizeit engagiert er sich vielfältig: Bei CampusAsyl ist er seit 2017 Mitglied. Er ist in der Dolmetschergruppe aktiv, übersetzt Texte für Flyer oder die Website ins Arabische und begleitet Menschen zu Behördengängen oder Arztbesuchen. Seit Januar dieses Jahres steht er zudem in der von Flora Pulina und Tobias Böhm geleiteten Theatergruppe auf der Bühne. Zunächst hatte er eigentlich nur Texte für die Gruppe übersetzen wollen – „dann hat jemand gesagt: ,Spiel doch einfach mit‘.“ Auf der Bühne schlüpft er in die Rolle von „Sven“. In dem Stück „Wann, wenn nicht jetzt, ihr Ochsen“ geht es um Fridays for future und Klimaaktivismus – Premiere ist am 28. Mai. Zudem engagiert sich Layth bei der Feuerwehr Neutraubling – und seit kurzem für Ukrainer. Sein Engagement geht auf seine eigene Erfahrung mit Krieg und Flucht zurück.

In seinem alten Leben im Irak hat er in Tikrit eine eigene Firma für Renovierung und Bau betrieben. Ein Einwanderer aus Bangladesh hatte für ihn gearbeitet. Dessen schwierige Lage habe er damals nicht erkannt. Doch jetzt weiß Layth, was Menschen auf der Flucht erdulden müssen: Ende 2015 kam er nach einer kräftezehrenden Odyssee nach Deutschland. Er weiß, wie es ist, alles zu verlassen, was das bisherige Leben ausmachte, noch einmal neu anfangen zu müssen. Er erinnert sich an den Tag, an dem er auf der Balkanroute in Kroatien auf Helfer einer deutschen Organisation traf, die ihm eine Decke und eine warme Suppe gaben. Er war da schon wochenlang unterwegs, fror und hatte lange nichts Richtiges gegessen, nicht richtig geschlafen und keine Dusche gehabt. Dass die Helfer ihm in dieser Situation die Hand reichten, werde er nie vergessen. Heute sagt Layth: „Jetzt ist Zeit, etwas zurück zu geben.“

Mittlerweile spricht er fließend Oberpfälzisch und hat sein Lachen wiedergefunden, das ansteckend wirkt. Doch seine Erinnerungen an den Irak, an Krieg und Flucht vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die sein Haus in Tikrit niederbrannte, holen ihn bis heute schmerzlich ein. Tikrit, etwa 160 km nordwestlich von Bagdad, ist Geburtsstadt des früheren irakischen Diktators Saddam Hussein, den US-Truppen 2003 in seinem Versteck in der Nähe aufspürten. 2014 hatte die terroristische Miliz „Islamischer Staat“ die Stadt übernommen und sie zu einer ihrer Hochburgen im Irak gemacht. Zwar hat die irakische Regierung 2017 ihren Sieg über den IS erklärt, doch bis heute sind Gruppen von IS-Kämpfern in der Provinz Salaheddin, in der Tikrit liegt, weiterhin aktiv. Layth erzählt von den Diskussionen mit zwei gleichaltrigen Cousins. Sie waren entschlossen, gegen den IS zu kämpfen. Er selbst habe es abgelehnt, bei den Kämpfen auf Landsleute zu schießen und entschied sich zur Flucht. Seine Cousins seien in den Krieg gezogen und beide innerhalb einer Woche erschossen worden.

Als er von den ersten Ukrainern hörte, die ihr Land verließen, war für ihn sofort klar: Er wollte hin und helfen. Dass er zu dem Zeitpunkt gerade im Urlaub auf Lanzarote war, auf den er sich lange gefreut hatte, hinderte ihn nicht: Er flog früher nach Hause und hängte sich ans Telefon. Als er erfuhr, dass die Regensburger Organisation Space-Eye Fahrer brauchte, um Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze zu fahren, mietete er einen Neun-Sitzer und machte sich mit vier Begleitern und weiteren drei Fahrzeugen im Konvoi auf den Weg nach Medyka, einem polnischen Grenzort. Als sie dort abends ankamen, sah Layth Menschen in Winterkleidung, die sich an Feuern in Fässern wärmten. In ihren Gesichtern sei „Weltuntergang“ gewesen, erzählt er. Bei ihm war die Erinnerung sofort da: „Diese Bilder und den Geruch kenne ich.“

Im Gespräch ist er den Tränen nahe, als er von einem Zehnjährigen erzählt, der ständig geschrien und um seinen Vater geweint habe, der in der Ukraine bleiben musste. Layth hat der Junge an seinen Neffen erinnert, der auf der Flucht vor dem IS um seine alte Schule weinte. Layth sagt: „Als Flüchtling bist du nichts.“ Man fühle sich schutzlos und ausgeliefert. Er will mithelfen, dass es den Ukrainern nicht genauso ergeht. 16 Flüchtende nahmen Layth und seine Begleiter am Ende mit nach Bayern.

Das Wochenende an der an der ukrainischen Grenze hat Layth emotional stark mitgenommen. Zukünftig möchte er lieber von zuhause aus helfen. Jetzt verbringt jede freie Minute mit Anrufen bei Behörden, um Neuankömmlingen den Start zu erleichtern. Dass die Ukrainer bei Job- und Wohnungssuche auf weniger Hindernisse stoßen als die Kriegsflüchtlinge 2015, ist für Layth eine interessante Erfahrung. Er selbst wurde 2015 kurz nach seinem Asylantrag aus Regensburg in eine Unterkunft im Landkreis Cham gebracht. Dort ein Jahr lang untätig auf Behördenbriefe und eine Anhörung zu warten, sei zermürbend gewesen. Aktuell zeigen die deutschen Behörden, dass es anders geht. Layth sagt dazu: „Ich bin sehr froh, dass sie die Ukrainer gut behandeln.“

Layth hat sich seine Sprachfertigkeit, seinen „coolen Job“ und seinen Freundeskreis über Jahre hart erarbeitet. Sein Engagement für die Ukrainer ist zeitraubend, aber: „Es macht mir am Ende des Tages ein gutes Gefühl. Ich habe dann nicht nur meine Arbeit gemacht – ich fühle mich als Mensch.“

 

Von Katharina Kellner

 



28.04.2022 15:01,
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