Im März geht vorerst ein besonderes Kapitel im Bereich Frauenförderung zu Ende: die Frauensprachkurse von CampusAsyl, welche bereits 2016 initiiert wurden und seit 2021 durch eine hauptamtliche Projektleitung deutlich ausgebaut und professionalisiert werden konnten. Ann-Kathrin Hübner vom Team Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nahm den Moment zum Anlass, um im Gespräch mit der Projektleiterin Julia Ritter einen Blick zurück auf drei Jahre Frauensprachkurse zu werfen und die Frage zu klären, wie es nun weiter geht.
Ann-Kathrin Hübner (AH): Wenn du das Projekt Frauensprachkurs einer Person erklären wolltest, die noch nie davon gehört hat – wie würdest du es beschreiben und wie hat sich das Projekt im Verlauf entwickelt?
Julia Ritter (JR): Die Frauensprachkurse richteten sich an Frauen, die aus verschiedensten Gründen nicht an regulären Sprachkursangeboten (bspw. Integrationssprachkursen) teilnehmen können, z.B. weil sie noch kleine Kinder betreuen müssen, keinen Platz in einem Kurs bekommen und auf der Warteliste stehen, aufgrund ihres Aufenthaltstitels oder Alters keinen Rechtsanspruch darauf haben oder auch aus anderen Gründen. Außerdem war es uns wichtig, einen geschützten Raum zu schaffen, in dem Frauen in einem rein weiblichen Umfeld lernen können. Abgesehen von traumatischen Erfahrungen ist das auch hilfreich, weil fast alle der Frauen, auch wenn sie selbst keine Kinder mit zum Kurs brachten, Mütter waren und Verständnis dafür hatten, wenn die Kinder mal gestört haben oder jemand unkonzentriert oder übermüdet war. Außerdem konnten so auch immer wieder frauen- und familienspezifische Themen besprochen werden.
Sobald man sich länger in einem fremdsprachigen Land aufhält, findet immer unweigerlich Sprachlernen statt. Wird in einem Kurs und mit geeigneten Materialien gelernt, spricht man von gesteuertem Lernen. Wird Sprache „nur“ im Alltag erworben, wird dies als ungesteuertes Lernen bezeichnet. Die Gefahr hierbei ist, dass sich Fehler festsetzen und das Sprachvermögen auf einem niedrigen, sehr fehlerhaften Niveau verbleibt. Sogenanntes Fließend Falsch Sprechen, kann hinterher kaum mehr korrigiert werden. Vor allem Frauen sind aufgrund der familiären Verpflichtung häufig davon bedroht, da die Wartezeit auf reguläre Angebote bei ihnen viel länger dauert.
Eine weitere Komponente war die Anbindung an die Universität Regensburg. Studierende des Faches DaZ (Deutsch als Zweitsprache) waren im Rahmen eines praxisorientierten Seminars als Assistenzlehrkräfte in den Kursen tätig, unterstützten besonders schwache Teilnehmerinnen oder leiteten eigenständig Kurse und konnten so zum einen helfen, in den sehr gemischten Lerngruppen auch die schwächeren Teilnehmerinnen gut mitzunehmen, aber auch Praxiserfahrung im Unterrichten von Geflüchteten machen.
Neben den reinen Sprachkursen wurde auch eine Beratung angeboten, die zunächst rein als Sprachlernberatung gedacht war. Allerdings hat sich schnell gezeigt, dass vielfach auch bei anderen Themen Hilfe nötig war. Diese Themen müssen oft auch „abgearbeitet“ sein, bevor die Frauen den Kopf überhaupt frei haben oder die zeitlichen Kapazitäten, um richtig zu lernen. Hier gab es vielfältigste Themen: Verstehen und Beantworten von behördlichen Schreiben, Hilfe beim Ausfüllen von Formularen, Kontakt zur Ausländerbehörde oder Jobcenter, Hilfe bei der Suche nach Betreuungsplätzen, Ärzten oder Ärztinnen, Praktikumsplätzen, Unterstützung bei Anträgen, Vermittlung in weitere Sprachkurse, Anmeldung und Vorbereitung auf Prüfungen, Wohnungssuche und teilweise auch sehr private Anliegen. Die Palette war hier wirklich sehr breit und vergrößerte sich auch mit dem zunehmenden Vertrauensverhältnis sehr. Manche der Hilfestellungen waren nur kurze Telefonate oder Ausfüllhilfen, andere waren wirklich sehr intensiv, z.B. die Vorbereitung auf Sprachprüfungen oder die Zusammenarbeit mit anderen Stellen, wie der Ausländerbehörde, Caritas oder Familienhilfen in schwierigen Fällen.
AH: Das klingt nach einer intensiven und auch persönlichen Art der Projektarbeit. Welche Erfahrungen oder Geschichten sind dir dabei besonders in Erinnerung geblieben oder haben dich beeindruckt?
JR: Es ist sehr schwer, aus den vielen berührenden Erlebnissen, eines auszuwählen. Besonders schön war es natürlich immer, wenn man Frauen auf einem großen nächsten Schritt begleiten und unterstützen durfte, z.B. eine geflüchtete alleinerziehende Mutter aus Moldavien mit schwerstbehinderter Tochter, die bis zu unserem Kurs nie einen regulären Kurs besucht hatte und die dann für die B1 Prüfung angemeldet werden konnte, diese bestanden hat, dadurch eine Ausbildung beginnen und einen Aufenthaltstitel und eine behindertengerechte Wohnung bekommen konnte. Oder eine Frau aus dem Irak, die eine A2 Prüfung und den Test „Leben in Deutschland“ bestehen und so das Chancenaufenthaltsrecht nutzen konnte. Eine ukrainische Ärztin, die im Rollstuhl sitzt, konnte bei uns ihre Wartezeit auf den IK überbrücken, dann von uns in einen Online-IK vermittelt werden, den sie auf B1 bestanden hat. Sie blieb aber während des kompletten Integrationskurses und auch danach bei uns im Kurs, um ihre Sprachpraxis zu üben, was ihr, wie sie selbst sagt, aufgrund fehlender Barrierefreiheit in anderen Kursen oder Situationen nur in geringem Maß möglich war. Darüber hinaus gibt es aber noch unzählige weitere, auch sehr persönliche Erfolgsgeschichten.
Besonders schön am Projekt war auch, dass mehrere geflüchtete Frauen in der Kinderbetreuung mitgearbeitet haben und so die positive Erfahrung machen konnten, dass ihre Arbeit wertvoll und geschätzt ist und auch dort Begegnungen zwischen nicht geflüchteten und geflüchteten Menschen zu ermöglichen. Auch, dass eine selbst geflohene Frau hauptamtlich als Kinderbetreuung angestellt werden und bei uns die erste Arbeitserfahrung in Deutschland machen konnte und inzwischen auch eine Ausbildung im pädagogischen Bereich macht, freut uns sehr.
Als generelles Fazit lässt sich ohne Übertreibung sagen, dass die Grundstimmung in den Kursen stets von hoher Lernmotivation geprägt war, aber auch von Dankbarkeit, dass es ein Projekt gibt, in dem Rücksicht auf die besondere Situation von Müttern, die für die Care-Arbeit in der Familie verantwortlich sind, genommen werden konnte. Aber auch, dass ein miteinander und voneinander Lernen von Personen mit verschiedensten persönlichsten Hintergründen, aber auch von größtmöglicher Heterogenität hinsichtlich Lern- und Bildungserfahrung möglich war und tatsächlich ohne größere Konflikte gelungen ist, spricht wirklich für sich.
AH: Gibt es konkrete Zahlen zu den Kursen und Teilnehmerinnen im Projektverlauf?
JR: Wir haben im Frühjahr 2021 noch mit vielen Corona-Auflagen wieder gestartet und erstmal in Einzeltandems oder kleinen Gruppen mit maximal 5 Personen gearbeitet. Ab Herbst 2021 konnten wir dann mit zwei Gruppen starten, die im Frühjahr 2022 auf drei und im Herbst 2022 auf vier Gruppen erweitert werden konnten, eine davon zunächst rein für ukrainische Geflüchtete, die später jedoch wieder für alle Teilnehmerinnen geöffnet wurde. Jede Gruppe war mit 12 bis teilweise über 20 Teilnehmerinnen durchgehend sehr gut besucht. Die genaue Zahl der erreichten Frauen zu beziffern, ist schwierig, da manche Teilnehmerinnen die Kurse nur für kürzere Zeit besucht haben, da sie in Integrationskurse wechseln konnten oder einen Transfer in eine andere Stadt, Unterkunft o.Ä. hatten. Andere Frauen dagegen haben die Kurse über Jahre, teilweise sogar die komplette Projektdauer besucht oder sind zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingestiegen. Insgesamt wurden auf jeden Fall in den drei Jahren über 300 Frauen erreicht.
AH: Das ist eine große Anzahl an erreichten Personen! Und bezüglich der Ehrenamtlichen im Projekt?
JR: Von April 2021 bis Februar 2024 haben insgesamt 37 Studierende in den Kursen als Lehrkräfte mitgearbeitet, eine internationale Studierende hat ein intensives Sprachförderpraktikum in der Kinderbetreuung absolviert. Zwei Zulassungsarbeiten für das Lehramtsstudium wurden im Rahmen der Frauensprachkurse verfasst.
Neben den hauptamtlichen Kinderbetreuerinnen waren über die drei Jahre verteilt über 30 Ehrenamtliche (Studierende, Rentnerinnen, Geflüchtete, FOS/BOS-Praktikantinnen) in der Kinderbetreuung aktiv, manche für kürzere Zeit, andere über mehrere Semester oder Kursdurchläufe hinweg.
Pro Kurs wurden zwischen zwei und 12 Kinder von 0 bis 7 Jahren betreut. Manche davon waren wirklich über eine lange Zeit bei uns in der Betreuung, konnten erste Worte und Sätze auf Deutsch lernen, langsam und behutsam die Abnabelung von der Mutter üben und sich so auf eine Fremdbetreuung im Kindergarten vorbereiten und teilweise konnten wir dann auch schon neue kleine Geschwister wieder in der Betreuung aufnehmen.
AH: Das Projekt hat viele Menschen bewegt, wie geht es jetzt weiter?
JR: Mit zwei weinenden Augen wurden die Frauensprachkurse erstmal beendet. Ein großes integrationskursbegleitendes Konzept mit mehreren Einzelkomponenten, in dem auch speziell die Frauenförderung mit unter Anderem zwei frauenspezifischen (Sprach-)lernangeboten verankert ist, wurde erarbeitet und beantragt und wir hoffen, vorbehaltlich der Förderzusage, noch im Frühjahr/Frühsommer, damit starten zu können.