In unregelmäßigen Abständen stellen wir immer wieder „Geschichten des Ankommens“ in Regensburg vor. Dieses Mal geht es um Saif, der trotz vieler Rückschläge positiv in die Zukunft blickt.
Saif ist vierundzwanzig Jahre alt und lebt seit zwei Jahren in Regensburg. Er liebt Musik, singt gerne Lieder auf Arabisch und verbringt viel Zeit damit, Musik zu hören. Auch Tanzen und Spazierengehen zählt er zu seinen Hobbys, außerdem würde er gerne lernen, Klarinette zu spielen. 2018 kam Saif aus dem Irak in die Türkei und von dort mit einem Boot über das Mittelmeer auf eine der griechischen Inseln. In der Hauptstadt Athen, wo er eineinhalb Jahre lebte, arbeitete er als selbstständiger Masseur. Dann ging es per Flugzeug weiter nach Deutschland, wo er nun in einer Regensburger Gemeinschaftsunterkunft lebt.
Saif berichtet, dass sich sein Leben sehr verändert hat, seit er den Irak verlassen hat. Zu einem großen Teil liegt dies daran, dass er seit der Operation eines Gehirntumors vollständig blind ist. Bereits in Griechenland war er mit Symptomen ins Krankenhaus gegangen, dort war ihm die Erkrankung allerdings zunächst nicht geglaubt worden. Er beschreibt die damalige Situation so:
„Es gibt viele Leute, die im Krankenhaus lügen: ‚Hey, ich bin krank…‘. Warum? Damit die Leute ein Attest bekommen, weil kranke Leute bekommen eher eine Aufenthaltserlaubnis in Griechenland. Die Ärzte dachten, dass ich sie belüge und ein Attest will, damit ich auch eine Aufenthaltserlaubnis kriege. Aber ich war richtig krank, ich habe nicht gelogen. Nach einem Jahr konnte ich mit meinen Augen nur noch ein bisschen sehen. Schritt für Schritt wurden sie ein bisschen schlechter. Dann hat der Arzt mir geglaubt: ‚Achso, Entschuldigung. Nee, das war nicht meine Absicht, Entschuldigung Saif. Du hast einen Gehirntumor in deinem Kopf.‘ Äh ja und was soll ich machen? Er meinte: ‚Saif, du machst eine Operation, aber das ist sehr schwer. Du musst vielleicht sterben. Du machst die Operation, aber zu siebzig Prozent, musst du sterben. Ja, du musst das hier unterschreiben.‘ Okay, ich wollte die Operation und habe unterschrieben. Ich war fünf Stunden im OP. Und als ich aus der Operation rauskam und ein Auge aufmachte, war ich blind. Ich frage den Arzt, warum ich blind bin. Er meint: ‚Saif, der Gehirntumor war so groß wie ein Ei. Und der Gehirntumor hat deinen Sehnerv verschluckt.‘ Sie mussten das wegschneiden und ich sehe jetzt gar nichts mehr.“
In den Irak zurückkehren wollte Saif auch nach seiner Erblindung nicht mehr, er erzählt, dass das Leben dort sehr schwierig sei. Er möchte gerne in Deutschland und in Regensburg bleiben. Die deutsche Sprache hat er sich in den vergangenen zwei Jahren selbstständig über TikTok- und YouTube-Videos beigebracht, sodass er ohne einen Kurs zu besuchen, inzwischen fließend Deutsch spricht. Saif berichtet aber auch, dass er sich in seinem Zimmer, das er sich mit einer anderen Person in der Gemeinschaftsunterkunft teilt, oft sehr isoliert fühle:
„Ich will nur mit Menschen sprechen und mit Menschen in Kontakt kommen. Ich bin sehr ungeduldig, wenn ich immer in meinem Zimmer bleibe. Ich bin jung! Ja, ich bin auch blind, das ist wichtig. Aber es gibt trotzdem auch Leben. Ich kann laufen, ich kann sprechen, ich kann die Leute hören. Aber ich weiß nicht, warum ich jetzt seit zwei Jahren fast niemanden kenne. Dass ich nur in meinem Zimmer bin, das geht doch nicht.“
CampusAsyl lernte er über unsere Mitarbeiterin Sophia kennen, außerdem berichteten ihm zwei Bekannte aus Regensburg von dem Verein. Er war ein paarmal bei Treffen dabei, um Kaffee zu trinken und Leute kennenzulernen. Engere Kontakte habe er aber bislang nicht geknüpft, auch weil es aufgrund seiner Blindheit für ihn nicht möglich ist, die Gemeinschaftsunterkunft eigenständig zu verlassen und beispielsweise alleine in die Stadt zu fahren. Dennoch meint Saif, versuche er immer positiv in die Zukunft zu blicken und sich nicht frustrieren zu lassen. Er möchte so bald wie möglich eine Ausbildung als Masseur beginnen, ein Beruf, in dem er während seiner Zeit in Griechenland schon einige Erfahrung sammeln konnte. Was ein besonders guter Tag für ihn ist? Dazu sagt er: „Ein Tag ist für mich besser am Wochenende! Manchmal gehe ich zur Disco am Wochenende und ein bisschen spazieren gehen und so etwas.“
von Antonia Vollmer