„Wie steht es um die deutsche Willkommenskultur? Diese Frage ist nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine wieder aktuell. Es scheint, als hätten wir so manches aus der Flüchtlingskrise 2015 gelernt. Und doch ertrinken weiterhin geflüchtete Menschen im Mittelmeer und aus der Ukraine fliehende BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) berichten von Rassismus an den europäischen Grenzen“ – mit diesem Einleitungstext wurden die Teilnehmenden zur Online Panel-Diskussion im Rahmen der Virtuellen Kaffeepause am 12.07. begrüßt. Sechs Panel-Gäste wurden dazu von Skala-Campus eingeladen – einer von ihnen war unser Vorstandsmitglied Dennis Forster. Gemeinsam mit Dennis diskutierten außerdem Axel Grafmans von Wir packen’s an, Cornelia Grothe von AMICA, Dr. Alena Sander von RESULT – The Feminist Consulting Company und Hamado Dipama von AGABY.
Nach einer kurzen Begrüßungs- und Vorstellungsrunde begann die Diskussion mit der Eingangsfrage, warum in Zusammenhang mit den Geflüchteten aus der Ukraine nun Vieles einfach so möglich ist, was früher oder bei Menschen aus anderen Ländern nicht funktioniert(e). Die Gäste waren sich schnell einig: Es liegt eindeutig eine Ungleichbehandlung vor. Und Hamado Dipama brachte es recht deutlich auf den Punkt mit dem Satz „der Ukraine-Krieg hat einen tiefsitzenden Rassismus in uns noch deutlicher gemacht“. Denn – so Dipama weiter – es gibt immer noch keine humane Flüchtlingspolitik, sondern nur Unterstützung für weiße ukrainische Flüchtlinge.
Dr. Alena Sander brachte daraufhin das Stichwort „Identitätsaufbau durch Abgrenzung“ ins Gespräch. Mit dem Krieg mitten in Europa stehe unsere westliche Demokratie und somit auch unsere Identität auf dem Spiel, die es nun zu verteidigen gilt. Somit gehe es beim Helfen vielmehr um uns selbst, als um die Hilfe an sich.
Was heute ebenfalls anders zu sein scheint, ist die Tatsache, dass hauptsächlich Frauen und Kinder aus der Ukraine flüchten, was in uns umso mehr einen Beschützer- und Hilfsinstinkt auslöst und zu dieser vermehrten Hilfsbereitschaft führt. Das Narrativ der „armen, hilflosen Frau“ wird bedient und zum ersten Mal wird mit dieser Deutlichkeit klar, dass Frauen ganz besonders in einem Krieg leiden. Das wiederum könnte positiv sein, um nachhaltig in unseren Köpfen etwas zu ändern und Frauen mehr in den Fokus zu nehmen. Jedoch kam auch hier schnell der Einwand, dass es vermutlich gesellschaftlich keine solch riesige Hilfsbereitschaft gäbe, wenn es sich um schwarze Frauen und Kinder handeln würde. Ukrainische Frauen wiederum verkörpern gleichermaßen ein „Wir und Die“ in sich. Sie sind uns ähnlicher, erfordern andererseits aber auch unsere Hilfe. Dabei dürfe man jedoch auch nicht den antislawischen Rassismus vergessen, der in unseren Köpfen ebenfalls vorherrscht und mit dem die nun ankommenden Menschen konfrontiert werden, wie Dennis Forster anmerkte.
Für CampusAsyl stellte sich nach Ausbruch des Ukraine-Krieges und der damit einhergehenden Ankunft der fliehenden Menschen die Frage, wie man auf diese neue Situation reagiert. Schnell war klar, CampusAsyl muss etwas tun und so wie bereits 2015 Unterstützung und Hilfe leisten. Dabei soll aber immer klar sein, dass die Hilfe und Angebote allen Menschen zur Verfügung stehen, ganz egal, aus welchen Ländern sie fliehen oder welche Hautfarbe sie haben.
Zum Abschluss wurde an die Diskussionsrunde die Frage gestellt, ob es denn rassistisch wäre, wenn man nun Menschen aus der Ukraine hilft. Die Antwort war einstimmig, dass es grundsätzlich nicht rassistisch ist, aus den Kriegsgebieten fliehenden Menschen zu helfen. Wenn diese Hilfe aber anderen Menschen, die aus ähnlichen Situationen fliehen, verwehrt wird, ist das problematisch und bestätigt wiederum nur den tiefsitzenden und strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft.
von Anna Metrina