Hermann Josef Eckl verlässt Regensburg


Seit 17 Jahren ist Hermann Josef Eckl Hochschulpfarrer der KHG Regensburg. 2014 hat er mit Rupert Hochholzer CampusAsyl gegründet und seither im Verein verschiedene Aufgaben übernommen. Kürzlich gab er bekannt, dass er Regensburg verlassen wird. Was sind seine Pläne? Was bedeutet sein Weggang für sein Engagement bei CampusAsyl? Und wie ist aus seiner Sicht ein gutes gesellschaftliches Miteinander möglich? All das erzählt er im Interview.

Nach 17 Jahren als Seelsorger verlässt Du die Katholische Hochschulgemeinde. Wohin gehst du?

Hermann Josef Eckl: Ich gehe in die Krankenhaus-Seelsorge ins Bezirksklinikum Mainkofen bei Deggendorf. Es ist eine psychiatrische und neurologische Fachklinik. Dort sind zum einen Menschen mit eher somatischen Erkrankungen. Zum anderen finden hier psychisch kranke Menschen Aufnahme mit einem breiten Spektrum an Erkrankungen: Es gibt Bereiche für Sucht- und Depressionsbehandlung, einen geschlossenen Bereich und eine Forensik. Mainkofen ist nicht so arg weit weg – ich kann die privaten Verbindungen aus meinen 25 Jahren in Regensburg aufrechterhalten. Zudem lebt meine Mutter in Straubing, da ist es vorteilhaft, dass ich nicht in eine ganz andere Ecke gehe.

Warum wechselst Du?

Wenn man sehr lange an einer Stelle war, wird einem nahegelegt, einen Wechsel in Betracht zu ziehen. Es wird erwartet, dass wir Seelsorger nicht das ganze Berufsleben auf einer einzigen Stelle bleiben. Ich wollte nicht aktiv weg, weil für mich die Aufgabe hier an der KHG wirklich wunderschön ist und mir das 17 Jahre Riesenspaß gemacht hat. Doch ich hatte mir schon länger überlegt, in die Krankenhausseelsorge zu gehen, falls ich wechseln sollte. Das hatte ich als Wunsch angegeben. Anfang des Jahres kam dieses Angebot mit Mainkofen. Dieser spezielle Bereich reizt mich auch deshalb, weil ich stärker inhaltlich als Seelsorger arbeiten kann. In der Psychiatrie hat die Seelsorge direkt mit dem Krankheitsgeschehen zu tun.

Du freust Dich also darauf?

Ja, es wird spannend! Was mich reizt, ist, dass ich mich in dem Bereich fortbilden und neue Erfahrungen machen kann. Da dachte ich mir: „OK, da schlägst du jetzt zu!“

Gehört die Fortbildung zwingend zum Job?

Ja. Selbst wenn ich als Seelsorger nicht im engeren Sinne zum therapeutischen Team gehöre, will die Klinik natürlich gewährleisten, dass ich einen positiven Einfluss auf die Patienten habe. Die sollen ja besser aus einem Gespräch mit mir rausgehen und nicht vielleicht in ihrer Therapie beeinträchtigt werden. Es ist also Voraussetzung, dass ich meine Arbeit mit den entsprechenden Kompetenzen mache. Ich gehe wirklich mit einem guten Gefühl rein.

Was unterscheidet Krankenhaus- und Hochschulseelsorge?

Auch wenn ich mich bei der Hochschulseelsorge im akademischen Kontext mit vielen jüngeren Menschen bewege, gibt es zwischen Campus und Klinikum Parallelen: Ich bin nicht in einer Pfarrei innerhalb kirchlicher Strukturen, sondern beide Male als Gast in einem fremden System. Beides hat eine gewisse Vielfalt. In der Hochschulseelsorge bin ich zuständig für Mitarbeitende und Lehrende, in der Klinik für Patienten, Ärzte und Pflegepersonal. Auch das ärztliche Personal kann ein spirituelles Anliegen haben oder sie wollen kirchlich heiraten oder ein Kind taufen lassen, ebenso wie Uni-Mitarbeitende. Das fällt alles in meine Zuständigkeit, zumindest kann ich das Angebot machen.

Hattest Du bisher schon mit psychisch belasteten Menschen zu tun?

Manche Studierende haben ihr Studium in der Corona-Phase mit sehr großen Einschränkungen begonnen. Das hinterlässt Spuren im Leben von sehr jungen Menschen, die damals zwischen 16 und 22 waren, da sind zwei Jahre eine lange Zeit. Da gibt es ganz vielfältige Problematiken, das merken wir seit Corona verstärkt: In dem System zurecht zu kommen, sich an dem neuen Lebensort wohlzufühlen. Allerdings hatte ich in den 17 Jahren, auch weit vor Corona, immer wieder mal mit psychisch belasteten Studierenden und auch Mitarbeitenden zu tun. Es gehört zu meiner Berufserfahrung. Ich habe auch erkrankte Menschen im BKH besucht oder wir haben im Team Studierende sozial begleitet, unterstützend zur Therapie.

Ist da manchmal die Abgrenzung schwierig zwischen dem medizinischen und dem seelsorgerischen Bereich? Es braucht ja nicht nur Medikamente, sondern auch Ansprache.

Man muss auf beides schauen. Einerseits unterstützend zur ärztlichen oder psychologischen Therapie einfach eine Begleitung anbieten, andererseits immer die eigene Rolle kennen und wissen, dass ich kein Therapeut bin. Zu einer psychischen Belastung gehört oft auch dazu, dass manche Betroffene selber nicht merken, dass sie sich Hilfe holen sollten. Da können wir sagen: „Hey komm, wir helfen dir dabei, dass du jemanden findest.“

Bisher hattest Du viel mit jungen Menschen zu tun. Das heißt, wenig mit Krankheit, Trauer und Tod konfrontiert zu sein, oder?

Ja, das stimmt. Wir haben Gottlob viel mit jungen Menschen zu tun, die aktiv und engagiert sind. Doch Trauer, Krankheit, Tod sind uns nicht völlig fremd. Regelmäßig schlagen Menschen mit psychischen Erkrankungen bei uns auf. Vor einigen Jahren musste ich einen Studierenden zu Grabe tragen, zum Glück ein absoluter Ausnahmefall. Ab und zu bitten uns Studierende um ein Gedenken in der Kapelle für verstorbene Kommilitonen. Wir hatten auch im Team gelegentlich mit Suiziden oder schweren Unglücksfällen zu tun, da sind wir gefragt in der Begleitung.

2021 hast Du bereits den Vorstand von CampusAsyl verlassen. Ziehst Du Dich jetzt ganz zurück?

Aus dem Vorstand hatte ich mich zurückgezogen, weil ich das Gefühl hatte, das können jetzt gut mal andere Leute machen. Aktuell bin ich Ombudsperson zusammen mit Elisabeth und Maen und noch relativ intensiv eingebunden in die CampusAsyl-Geschäfte. Das wird jetzt, wenn ich diese Aufgabe aufgeben muss, ein größerer Schnitt sein. Für mich ist es ein gewichtiger Schritt, wie auch in der KHG, die bisherigen Aufgaben ein Stück weit hinter mir zu lassen. Doch ich bleibe natürlich Vereinsmitglied und ich werde den Kontakt zu CampusAsyl halten.

(Hermann Josef Eckl im fünften Vorstand CampusAsyls 2020)

Gerade sehen wir fast überall in Europa politische Zuspitzung und Rechtsruck. Braucht es Organisationen wie CampusAsyl dringender denn je?

Ja. Ein wichtiger Baustein, um die Debatte zu entschärfen und um dem Populismus das Wasser zu nehmen ist ja, zu zeigen, dass ein gutes Miteinander gelingen kann. Es gibt natürlich Menschen, die von ihrer grundlegenden Einstellung her fremdenfeindlich sind, aber es sind beileibe nicht alle. Manche sind vielleicht über die Situation nicht gut informiert sind oder sehen vor ihrer Haustür nur Probleme. Ich glaube, viele Menschen würden sich schon gewinnen lassen.

Wie?

Wenn man ihnen deutlich vermittelt: Wir schaffen es als Gesellschaft. Da kann CampusAsyl einen ganz wesentlichen Beitrag dazu leisten. Frau Merkel ist ja seinerzeit mit „Wir schaffen das!“, angetreten. Diese Aussage war völlig zutreffend, doch die Konsequenzen daraus wurden nicht mit dem nötigen Ernst gezogen. Auf Seiten der Politik fehlen der Wille und das Engagement. Ein Beispiel: CampusAsyl muss seit Jahren darum ringen, dass wir unsere Strukturen aufrechterhalten und unsere Stellen finanzieren können. Wir müssen oft betteln gehen. Die Politik hat sich nicht immer klar gemacht, dass wir uns dahinterklemmen müssen, damit wir es schaffen. Das geht nicht durch Schönreden, dahinter steckt harte Arbeit. Auch die Menschen bei Campus Asyl leisten diese harte Arbeit.

Im Moment haben eher Populisten Zulauf.

Zuwanderung verursacht auch Reibungen, das ist ja banal. Wenn eine Partei ihr Potential nur daraus schöpft, aus Reibungen und Problemen Kapital zu schlagen, macht sie diese Probleme natürlich immer größer und viele Menschen lassen sich da vielleicht auch verängstigen. Die richtige Strategie ist, die Herausforderungen anzupacken. Ich denke, wenn wir in unserer Gesellschaft das tatsächlich glaubwürdig und auch praktisch sichtbar vermitteln können: Wir kriegen das hin, dann würden sich mit Sicherheit auch viele Menschen mitnehmen lassen. Ich glaube nicht, dass sich alle, die sich von populistischem Geschrei momentan beeindrucken lassen, für immer verloren sind.

2021 hast Du in einem Interview gesagt, Dein Wunsch ist, dass das gesellschaftliche Miteinander vielfältiger wird, gleichberechtigter und dass die Gesellschaft Zuwanderung als Chance begreift, nicht als Belastung. Wo stehen wir? Sind wir weiter weg denn je?

Was die Akzeptanz von Diversity angeht, sind wir sicher weitergekommen, zumindest gesellschaftlich. Kirchlich haben wir da noch Nachholbedarf. Was das Zusammenleben mit geflüchteten Menschen betrifft, da spüre ich eher einen Rückschritt. Natürlich sind zuletzt viele Probleme aufgeploppt, es ist sehr stark das Thema der gesellschaftlichen Überforderung artikuliert worden, das hat es nicht leichter gemacht.

Nun hat sich kürzlich die Bischofskonferenz klar von der AfD abgegrenzt. Das ist insofern erstaunlich, weil die Kirche sich ja sonst nicht so parteipolitisch äußert. Wie siehst Du das?

In bestimmter Hinsicht ist es ein heikler Schritt. Wir wollen eigentlich nicht, dass Kirche sich parteipolitisch einmischt. Ich glaube aber, dass es für diesen aktuellen Schritt auch wirklich gute Gründe gegeben hat. Man spricht damit niemandem den persönlichen Glauben ab. Aber Politik ist öffentlich und das Parteiprogramm der AfD ist schlicht und einfach mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar. Punkt. Grundsätzlich bin ich froh über diesen Schritt. Ich glaube, das musste sein.

Würdest Du Dir noch mehr Engagement der katholischen Kirche bei Migration und Integration wünschen?

Die Kirche leistet viel in diesem Bereich – in Verbindung mit dieser aktuellen politischen Positionierung ist es kein schlechtes Paket. Natürlich muss man, ähnlich wie in der Politik, auch bei der Kirche hinschauen, inwieweit den Worten Taten folgen und das Engagement tatsächlich umgesetzt wird.

Neben Deinem eigenen Engagement bist Du begeisterter Hobbyornithologe. Hast Du schon ausgekundschaftet, ob man an Deiner neuen Arbeitsstelle gut Vögel beobachten kann?

Das habe ich sehr wohl. Mainkofen liegt direkt an der Isar-Mündung und die ist eines der ganz wichtigen Vogelschutzgebiete in Bayern. Und ich war da auch schon.

Wann verlässt Du Regensburg?

Ich wechsle zum 1. September, so dass noch etwas Zeit ist. Das Sommersemester über kann ich noch meine Aufgaben machen und mich von allen verabschieden. Ich bin nicht von heute auf morgen weg.

Das Interview führte Katharina Kellner



28.03.2024 09:33,
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