
Judith König und Benjamin Burkhard aus dem Team Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von CampusAsyl haben sich näher mit dem Thema Kirchenasyl befasst und eine Artikel zum Thema geschrieben.
Es ist eines der Themen, die in den letzten Monaten im Zusammenhang mit dem Thema Flucht und Asyl heiß diskutiert worden sind: Das Kirchenasyl.
Von „rechtswidrigem Verhalten der Kirchengemeinden“, die „ihr eigenes moralisches Gutmenschenbefinden über die staatlichen Gesetze stellen“[1] war da beispielsweise die Rede. Aber was ist denn das eigentlich genau, Kirchenasyl? Wozu dient es? Welche Regelungen gibt es? Und wie fühlt sich Kirchenasyl „von innen“ an?
Das Kirchenasyl ist keine neue Erfindung. Seit den 1980er Jahren wird in Deutschland immer wieder Menschen auf kirchlichem Boden Schutz gewährt. Hintergrund des Kirchenasyls ist eine relativ einfache Überlegung: auch in einem Staat, der die Menschen, die sich in seinem Rechtsbereich aufhalten, im Normalfall gut schützen kann, können einzelne durchs Raster fallen.
Als engagierte Christinnen und Christen – so die Überlegung weiter – kann man das aber nicht einfach so mit einem Schulterzucken akzeptieren.
Kirchenasyl will also helfen, sicherzustellen, dass die Rechte und die Würde aller Menschen, die sich in Deutschland befinden, gewahrt werden. Nicht mehr und nicht weniger.
Was heißt das konkret?
Um Kirchenasyl wird gebeten, wenn eine Abschiebung droht – entweder in ein Herkunftsland oder im sogenannten Dublin-Verfahren in das Land, in dem der oder die Geflüchtete*r den ersten Asylantrag gestellt hat – und gleichzeitig mit einer großen Gefahr für den/die Geflüchtete(n) droht. Wird Kirchenasyl gewährt, – stellt eine Gemeinde oder eine Klostergemeinschaft also Schutz zur Verfügung – wird in jedem Fall die zuständige staatliche Behörde informiert. Die Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen stellen sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche in Deutschland immer wieder als zentral heraus seit 2015 gibt es bei beiden Kirchen eine zentrale Anlaufstelle, die den Kontakt zum Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) moderiert. Der Geflüchtete „taucht“ also mitnichten einfach „unter“. Im vorgesehenen Verfahren sind die zuständigen Behörden über den Aufenthaltsort desjenigen, der sich im Kirchenasyl befindet, informiert.
Zum Kontakt zwischen Kirchengemeinde und Behörde gehört auch die Anfertigung eines Dossiers, in dem um eine erneute Überprüfung der Aufenthaltsgenehmigung gebeten und die besondere Situation des Schutzbedürftigen geschildert wird. Das Ziel ist es, eine Überprüfung des Asylbescheides durch das BAMF zu erreichen und eine, für den Geflüchteten gefährliche, Abschiebung zu verhindern. Im Falle der Abschiebung in eines der „Dublin“-Länder scheint auf den ersten Blick die Gefahr für Leib und Leben des Betroffenen geringer zu sein, dies relativiert sich jedoch schnell, wenn man sich klar macht, dass „allen hehren Bekundungen zum Trotz weder die rechtlichen noch die sozialen Bedingungen in den europäischen Ländern gleich sind“
In den sogenannten Dublin-Fällen, in denen ein Geflüchteter in das Land abgeschoben werden soll, in dem der erste Asylantrag gestellt wurde, galt bis zum vergangenen Sommer eine Frist von sechs Monaten.
Konnte der Geflüchtete nicht innerhalb der sechs Monate zurück in das Land gebracht werden, das aufgrund der ersten Antragstellung für den Fall zuständig war, übernahm Deutschland die Zuständigkeit. Der Großteil der Menschen, die in den vergangenen Jahren Schutz im Kirchenasyl gesucht haben, musste diese sechsmonatige Frist überbrücken. Seit dem vergangenen Sommer ist diese Frist aber für diejenigen Kirchenasyl-Fälle, deren Dossier negativ beantwortet wird oder aber gar nicht bei den Behörden eingeht, auf 18 Monate verlängert.
Das aber hat zur Folge, dass in diesen das Kirchenasyl praktisch unmöglich wird. Die Aufgabe, für einen oder mehrere Menschen monatelang in einem sehr begrenzten räumlichen Umfeld Nahrung, Wäsche, den Bedarf des täglichen Lebens, Gesellschaft und Abwechslung zur Verfügung zu stellen, ist für sechs Monate zwar groß, aber unter bestimmten Umständen zu bewältigen.
Dasselbe 18 Monate lang zu tun, ist fast unmöglich. Warum?
Zum einen ist es Aufgabe der Gemeinde, in der sich dazu meist ein Unterstützerkreis bildet, den Schutzsuchenden zu versorgen. In seiner Bewegungsfreiheit auf das Grundstück der Gemeinde beschränkt, kann er ja nicht selbst zum Einkaufen gehen.
Zum anderen aber stellt die erzwungene Untätigkeit meist die größte Herausforderung dar.
Eine Jugendliche, die sich zum Zeitpunkt unseres Gespräches schon seit mehreren Monaten im Kirchenasyl befindet, berichtet, dass es sich anfühle wie ein Gefängnis.
Und das trotz der engagierten Gemeinde, die sich kümmert, in der sich viele Menschen finden, die sie besuchen kommen und in der sie bei vielen Treffen der verschiedenen Gruppen und Verbände dabei sein kann. „Ich hätte nie gedacht, dass es so hart ist,“ sagt sie.
Spätestens dieser Satz sollte klar machen, dass Kirchenasyl
keine Trotzreaktion aufsässiger Christinnen und Christen ist, die die Arbeit
von Behörden und Gerichten behindern wollen. Es ist auch nicht der Versuch,
sich leichtfertig über geltende Gesetze hinwegzusetzen. Es ist eine
Entscheidung aus Überzeugung, die Menschen Schutz bieten will, die so sehr von
der Abschiebung bedroht sind, dass sie selbst dazu bereit sind, ihre Freiheit
aufzugeben. Mehrere Monate lang.
[1] Beide wörtliche Zitate: Ralph Weber im Mitgliedermagazin „AfD Kompakt“: https://afdkompakt.de/2018/08/23/afd-begruesst-erhoehung-der-huerden-fuer-ein-erfolgreiches-kirchenasyl/ [Zugriff am 18.12.2018].