
Auch der folgende Beitrag entstand nach Gesprächen innerhalb des Teams „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“. Unser Bundesfreiwilligendienstleistender Matthias setzt sich in dem Artikel mit einigen Stammtischparolen rund um den Themenkomplex Flucht/Asyl/Integration auseinander.
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Der folgende Artikel befasst sich mit einem Thema, dessen Problematik uns oft nicht bewusst ist und welches in der Öffentlichkeit allzu oft als selbstverständlich wahrgenommen wird. Es wirkt manchmal, als handele es sich um ein Phänomen, welchem man nur schwer mit rationalen Argumenten begegnen kann.
Aussagen wie „Wir können doch nicht die ganze Welt aufnehmen“, „Die meisten sind gar keine echten Flüchtlinge“ oder „Unser Asylrecht kann die Probleme der Welt nicht lösen“ haben sich bereits vor ein paar Jahren unter dem Begriff Stammtischparolen etabliert.
Parolen, die unter diesem Begriff zusammengefasst werden können, sind häufig charakterisiert durch eine verallgemeinernde Ausdrucksweise, deren Inhalt abwertend gegenüber einer meist sehr allgemein beschriebenen Gruppe von Personen formuliert wird. Das wird in Relation zu einer Gruppe gesetzt, die als „wir“ Erwähnung findet, mit der sich der Sprecher identifiziert und i.d.R. gegenüber den „anderen“ aufwertet.
Seit dem Sommer der Migration 2015 wurden gehäuft Geflüchtete als die vermeintlich anderen deklariert, was zur Entstehung der oben genannten Phrasen und deren Äußerung im Alltag geführt hat. Immer wieder ist diese Art der ablehnenden Verallgemeinerung bemerkbar. Deswegen stellt sich die Frage: Wie geht man mit solchen Aussagen um?
Eine gute Möglichkeit ist natürlich die Aussagen kritisch zu widerlegen, so wie es zum Beispiel bei dem Satz „Wir können doch nicht die ganze Welt aufnehmen“ möglich ist. In diesem Fall kann zum Beispiel darauf hingewiesen werden, dass nur ein geringer Teil aller Personen, die sich weltweit auf der Flucht befinden, tatsächlich nach Europa kommt, während 85% von 68,8 Millionen Geflüchteten auf der Welt sich immer noch innerhalb von Entwicklungsländern befinden. Das liegt daran, dass zum einen die Hoffnung der Geflüchteten besteht, bald wieder in ihre Heimat zurückzukehren und zum anderen an konkreten Hindernissen, die eine Flucht in reichere Länder verhindern.
Ein weiteres sehr bekanntes Beispiel ist „Die meisten sind gar keine echten Flüchtlinge“. Auch hier muss hinterfragt werden, warum viele Geflüchtete insbesondere in den letzten Jahren nach Europa gekommen sind. In vielen Fällen waren und sind immer noch bewaffnete Konflikte zum Beispiel in Syrien und in Teilen des Iraks und Afghanistans sowie gravierende Menschenrechtsverletzungen wie zum Beispiel im Iran die Gründe. Die Flucht nach Europa ist also für die Betroffenen ein Kampf um die eigene Existenz und keine gezielte Ausnutzung von Sozialsystemen.
Im Bezug dazu stehen oft auch Aussagen wie „Unser Asylrecht kann die Probleme der Welt nicht lösen.“ Auch wenn dieser Satz nicht grundsätzlich falsch ist, so tragen viele westliche Industriestaaten durchaus Mitverantwortung für die Flucht vieler Menschen aus ihren Heimatländern. Durch Rüstungsexporte, welche Konflikte in Kriegsgebieten weiter anheizen, eine Handelspolitik, welche die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen in afrikanischen Staaten zerstört, oder Umweltverschmutzungen von Indutrie- und Schwellenländern, die zu Dürren und Überschwemungen in Entwicklungsländern führen, sind westliche Länder ein Faktor, welcher entschieden zum weltweiten Anstieg der Flüchtlingszahlen beiträgt. Es ist also natürlich sehr wichtig, die Fluchtursachen zu bekämpfen, aber ebenso ergibt sich daraus auch die Verantwortung, Flüchtlingshilfe zu leisten und nicht an dem Glauben festzuhalten, dass Europa nichts damit zu tun hat.
Auch der Satz „Asylbewerber kriegen mehr als Deutsche“ wird heute noch zum Teil in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Obwohl durch eine kurze Recherche bereits in Erfahrung gebracht werden kann, dass der Anspruch von Personen im Asylverfahren sich aus dem Asylbewerberleistungsgesetz ableitet und damit sogar geringer ist als Hartz-IV-Leistungen, scheint es, als wäre dieser Irrtum immer noch nicht bei allen Menschen aufgeklärt worden. Wenn eine asylsuchende Person beispielsweise nach 15 Monaten, ohne eine Möglichkeit der vollständigen medizinischen Versorgung und mit jederzeit möglichen Kürzungsmöglichkeiten der Leistungen tatsächlich annerkannt wird, ist auch maximal ein gleicher Sozialleistungsanspruch wie bei deutschen Staatsbürger*innen möglich.
Selbstverständlich gibt es noch viele andere Stammtischparolen, jedoch gehen auch diese inhaltlich oft in ähnliche Richtungen. Der einzig sinnvolle Weg, Parolen dieser Art zu begegnen, scheint, sich mit den relevanten Themen intensiver auseinanderzusetzen, sich eine Meinung zu bilden, welche nicht auf Vorurteilen beruht, und informierte Argumentationen gefährlichem Halbwissen entgegenzustellen.